Klar, der Strand war schön. Kurzgeschichten.
Lebenshilfe
Es geht nicht darum, ein nobelpreisverdächtiges Werk frenetisch hochleben zu lassen, hier ist die Rede von einem Büchlein, das so deutlich wie nur wenige die Verklammerung von Lebenshilfe und Schreiben zeigt. Eindrücklich an den fast dreißig Kurzgeschichten: Der Leser nimmt etwas ganz Besonderes mit, er lernt "Behinderte" besser zu verstehen.
Im Johannesstift Berlin gibt es die Macherei, die eine Fülle von Angeboten für Erwachsene mit Behinderung bereithält. Und eines dieser Angebote ist eine Geschichtenwerkstatt, in der nach mitunter zähem Ringen mit erstaunlichem Engagement und Kreativität Texte erarbeitet werden. Manchmal wurden die literarischen Helfer nur über Augenbewegungen erreicht, weil das Sprechen aufgrund der Behinderung nicht möglich war.
Bianca Haack, 34: "Ich konnte mich mehr trauen etwas auszuprobieren, was ich meinte, eigentlich nicht zu können." Ihre Liebesgeschichte ist anrührend und - voller Lebensfreude und Fröhlichkeit. Oft entrücken die Autoren träumerisch in eine Welt, die sie nicht haben, suchen nach "Normalität". Regina Pannek stellt in "Amerika ist" richtig erfreut fest, dass der Kellner ihre Ungeschicklichkeit nicht sieht (sehen will), verschütteter Kaffee, Krümel auf dem Tisch. Hier offenbart sich, wie übrigens in vielen Geschichten, wie Behinderte manches registrieren und werten, das anderen oft ziemlich egal ist, ja, unbekannt bleibt.
Wenn Nico Nietsch schreibt "mein Leben besteht aus Farbe" und er die Schönheit und Vielfalt der Farben betont, so mag das nicht gerade umwerfend neu anmuten, gewinnt aber Bedeutung, wenn man im letzten Satz von der Erblindung des Autors erfährt.
Ein Buch, um das sich der herausgebende Erfurter dorise-Verlag verdient gemacht hat.
Peter Drescher
Das Buch erschien unter ISBN 978-3-942401-29-6